Die
letzten zwei Kriegsjahre des dritten Reiches in Oehrenstock |
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Man
schreibt das Jahr 1944. Die Frauen
und Mütter, deren Männer und Söhne im Krieg sind, zeigen sich besorgt. Viele
gesunde Männer des Ortes hat der Krieg schon das Leben gekostet. Die
wehrtauglichen Jugendlichen im Alter von 17 und 18 Jahren wurden in diesem
Jahr noch zum Kriegsdienst eingezogen, aber auch noch ältere Männer über 35,
wie ein Arno Machold, Gerhard Ludwig und Fritz
Böhm, die auch nicht wieder zurückkehrten. In
der zweiten Jahreshälfte 1944 standen die amerikanischen Truppen am Rhein.
Durch Bombardierung und Beschuss auf das Rheinland wurden viele Menschen nach
Mitteldeutschland umgesiedelt. Auch in Oehrenstock wurden Familien aus dem
Rheinland aufgenommen. In
Walterhausen angekommen, begrüßte ein Vorgesetzter die Jugendlichen als
"Kriegsfreiwillige" der Waffen-SS, obwohl nur wenige von ihnen sich
freiwillig gemeldet hatten. Sie wurden in einer Turnhalle untergebracht, denn
das Lager war überfüllt. Gegen 20 Uhr begann die Musterung und zugleich auch
die "Freiwillige Unterzeichnung zur Waffen-SS", auch gegen den
Willen der Mehrheit der Jugendlichen. Am
31. März 1945 wurden wegen
Überfüllung des Lagers die Jugendlichen des Kreises entlassen mit der
Bereitstellung, am 14. April 1945 wieder einzutreffen. Dazu kam es nicht,
denn die amerikanischen Truppen standen am 7. April 1945 auf dem Rennsteig. In
der Nacht vom 8. zum 9. April 1945 gab es die ersten Einschüsse in
Ilmenau. Am Vormittag des 9. April fuhr ein amerikanischer Panzer auf der
Ilmenauer Sturmheide ein. Dieser wurde von einem
Sturmgeschütz der Deutschen Wehrmacht, welches auf der Oberpörlitzer
Höhe stand, abgeschossen. Daraufhin stand diese Position unter starkem
Beschuss der amerikanischen Truppen. In den Nachmittagsstunden wurde
Oehrenstock beschossen. Gegen 14 Uhr gab es einen Volltreffer in einer
Scheune in der Schulstraße. Der damalige Besitzer war Dr. Hans Hörold, der aber nicht mehr in Oehrenstock wohnte. Am
Vormittag des 10. April 1945
begann der Beschuss auf Oehrenstock erneut. Gegen 10 Uhr schlug ein Geschoss
in der Dorfmitte in das Café Seeber ein, wodurch die Oehrenstöcker
in Angst und Schrecken versetzt wurden. Zwei 16jährige Jungen in der
Ilmenauer Straße namens Manfred Seeber und Gerhard Schumm
diskutierten über den Beschuss und beschlossen, Initiative zu ergreifen. Sie
wollten zum Bürgermeister gehen und die weiße Fahne auf dem Kirchturm hissen.
Otto Seeber hatte den beiden Jugendlichen sogar sein Einverständnis gegeben.
Daraufhin eilten die zwei zum Dorfpfarrer Sommerlatte und baten ihn um den Schlüssel
zur Kirche. Nach dessen Erhalt wurde im Nachbarhaus der Kirche - bei Günter Hörold und Kurt Seeber (Hannekel-Schuster)
- eine ca. 3 m lange Stange mit einem großen weißen Tuch hergerichtet. Dann
eilten sie zum Kirchturm. Der Aufstieg zu den Luken war aber nicht ohne
Gefahr, denn der Turm wankte von den Einschüssen auf die Felder rings um
Oehrenstock. Kaum war die weiße Fahne durch die Kirchturmsluke
gesteckt, hörte der Beschuss auf. Die zwei Jungen verließen den Kirchturm und
sahen auf dem Weg zurück zu ihren Elternhäusern, dass viele Leute ebenfalls
weiße Fahnen an ihren Häusern angebracht hatten. Nach ca. 1 Stunde fuhr ein
Panzerspähwagen der SS beim Bürgermeister vor. Der Kommandant befahl, die
weißen Fahnen unverzüglich vom Kirchturm und den Häusern zu entfernen.
Andernfalls ließe er das Dorf zusammenschießen. Der Bürgermeister musste
anordnen, dass Manfred Seeber und Gerhard Schumm
die weiße Fahne vom Kirchturm einziehen sollten. Letzterer aber weigerte sich
aus dem Grund, dass der Beschuss der Amerikaner wieder einsetzen würde.
Daraufhin ging Manfred Seeber mit Rudi Schrickel
erneut auf den Turm und zog mit ihm die Fahne ein. Gegen 16 Uhr marschierten
amerikanische Truppen vom Wildberg und Heidelberg
her in Richtung Oehrenstock ein. Haus für Haus wurde durchsucht und einige
Häuser belagert. Am
11. April 1945 um 9 Uhr vormittags
wurde den Bürgern der Ilmenauer Straße über die Ortsschelle vom Bürgermeister
bekannt gegeben, dass die Ilmenauer Straße bis Café Seeber von den Einwohnern
geräumt werden müsse. Ilmenau hatte sich noch nicht ergeben, die Amerikaner
rechneten noch mit Beschuss. Nun begann ein Ausziehen voller Angst. Jeder
Bürger der Ilmenauer Straße nahm das Nötigste per Handwagen und Schubkarren
und zog in das Oberdorf. Am
nächsten Tag, dem 12. April 1945,
hatte sich Ilmenau ergeben und die Bürger der Ilmenauer Straße konnten in den
nachfolgenden Tagen wieder in ihre Wohnungen und Häuser zurück. Ein
sinnloser Krieg mit vielen Opfern ging zu Ende. Die Folgen waren noch lange
zu spüren. Oehrenstock hatte den Tod von 42 gesunden Ehemännern und Söhnen zu
beklagen. Das Leid war groß. Es gab enorme Unterbrechungen der Strom- und
Gasbereitstellung. Auch die Versorgung der Leute mit Lebensmitteln war sehr
karg. Nur ganz, ganz langsam kehrte wieder so etwas wie ein normales Leben
ein. Erlebt und niedergeschrieben von Gerhard Schumm, Oehrenstock 2006 |
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